Weihnachtsansprache vom Chef: das klingt – oder besser noch, riecht – nach Weihnachtsdeko mit Mottenpulver-Odeur und einem Manuskript mit Glühweinflecken vom Vorjahr. Passt das eigentlich noch in unsere Zoom- und Teams-Epoche, in der wir alle viel und gut zusammen arbeiten, die Büros aber nur spärlich besetzt sind? In der sich die Welt schneller ändert als die Unternehmenssoftware? Wie meistens lautet die richtige Antwort: es kommt darauf an.
Wer Weihnachten und damit verbunden das Ende des Arbeitsjahres nicht als im Jahresverlauf beispiellose Chance versteht, seinen Kolleginnen und Kollegen zu danken und die gemeinsamen Erfolge, Niederlagen, Anstrengungen zu würdigen, unterschätzt die emotionale Ausnahmestellung dieses Fests – unabhängig von kulturellen Reframings. Das ist keine Lappalie, sondern ein Managementfehler. Also machen! Aber wie? Wenn die Tradition nicht ranzig werden soll, braucht sie ein Update, dass sie in unserer jetzigen Lebensrealität anschlussfähig macht. Dabei ist nicht in erster Linie die Frage von Online oder zusammen in einem Raum zu beantworten. Sondern die Frage nach der Sprecherposition, um es mal diskursanalytisch zu sagen. Steht die Chefin oder der Chef auf einem metaphorischen Podest und erklärt einer ergriffen schauenden Belegschaft die Welt – oder schaut eine Gruppe von Menschen auf seine gemeinsame Welt und feiert sich?
Das hat mich umgetrieben, als ich das erste Mal vor der Aufgabe stand. Niemand kommt ja in der Rolle des Weihnachtsredners zur Welt. Als Gründerin oder Gründer hat man erstmal andere Sorgen und ist mit dem noch kleinen Team so eng in Kontakt, dass Ansprachen ohnehin absurd wären. Doch irgendwann ist es so weit. Die Organisation bekommt eine Größe (oder die Karriere eine Station), in der man nicht mehr mit allen und ständig persönlich spricht. Also muss man manchmal mit allen auf einmal reden – und damit wären wir bei der Rede.
Weihnachtsansprache als Gespräch
In unserer Organisation landete diese Aufgabe bei mir: Du schreibst ja auch für andere Reden, dann mach mal die Weihnachtsansprache! Ein bisschen nervös stellte ich mir vor, wie ich im Bundespräsidentengestus vor der Firmenflagge ernst in die Runde schaue: „Liebe Mitarbeiter, wenn ich heute vor Ihnen stehe…“. So ist es aber nie geworden und so wird es auch nie werden. Einer Verlegenheit verdanke ich ein Format, das seither bei uns funktioniert und von dem ich behaupten würde, es ist zeitgemäß und vermittelt mehr Wertschätzung als eine Ansprache: ein Gespräch.
Vor meiner Premiere in dieser Rolle war ich nämlich noch auf einem Kundentermin (vor Ort!) und hatte eigentlich keine Zeit mehr. Ich machte mir im Zug fieberhaft Notizen und hatte große Sorgen, etwas Wichtiges außer Acht zu lassen. Mit einem Stichwortzettel stellte ich mich dann zwischen meine Compagnons und das Team und fing mit den Dingen an, die aus meiner Perspektive das Jahr geprägt hatte, was ich feiern und wofür ich danken wollte. Und bat dann ganz offen darum, meine Gedanken zu ergänzen. Es entstand ein Kaleidoskop an Eindrücken, Erinnerungen, Anekdoten und Gefühlen und wir konnten sie wirklich teilen. Und das Format stand. Für mich folgt es aber ein paar Regeln, die ich gerne teile:
Fünf Regeln für die Weihnachtsansprache
- Kein Monolog
Auch die klassische Rhetorik versteht die Rede als einen Dialog – aber einen fiktiven. Durch rhetorische Fragen wird die Perspektive der Zuhörenden in die Rede eingebunden. Die Antworten gibt aber der Redner – volle Kontrolle! Muss das noch sein? Geh einfach den nächsten Schritt und bitte wirklich um die Perspektive der anderen. Nicht nur das Team hat mehr davon – auch du selbst. Und du willst auch Weihnachten feiern.
- Keine Bilanzen
Haben wir Ziele erreicht? Wie gut ist es gelaufen? Natürlich gehört das zur Rückschau. Die Versuchung ist aber groß, einfach Zahlen sprechen zu lassen („…haben uns mal wieder um 100 Prozent gesteigert!“). Doch einfach aus der Bilanz vorlesen und sich auf die Brust trommeln – das geht am Anlass vorbei und blendet zu viel der gemeinsamen Lebensrealität aus. Auch in den schwierigen Jahren gibt es Dinge, für die man dankbar ist – und sie lassen sich nicht immer in Zahlen ausdrücken. Kulturelle Faktoren, Vielfalt, gemeinsame Erlebnisse – auch die traurigen – verlangen nach gemeinsamer Betrachtung und das Team hat hier oft viel einzubringen. Stellt in der Weihnachtsansprache die Themen in den Mittelpunkt, die sich in den Spalten einer Tabelle nicht ausdrücken lassen!
- Keine Moralpredigt mit hidden Agenda
Erst die Erinnerungen und dann die Moral von der Geschicht‘? Es gibt eine herrliche Satire auf Chefansprachen von Uli Keuler. Meine Lieblingsstelle: „Wir haben in diesem Jahr Idealismus und Gewinn redlich geteilt. Behalten Sie den Idealismus auch im kommenden Jahr!“ Interessen- und Verteilungskonflikte liegen in der Natur von Wirtschaftsbeziehungen und das sind Arbeitsverhältnisse auch in einem sehr guten Team. Darüber muss man natürlich reden, vielleicht sogar an Weihnachten. Sie aber bei einem solchen Beisammensein mit pastoralem Gestus zu verkleistern, zeugt von peinlicher Konfliktunfähigkeit. Benenne Konflikte, die relevant sind und als Elefant im Raum stehen, gib ihnen einen Ort – aber missbrauche den Anlass nicht dazu, sie abzuwürgen, sonst hast Du die Bescherung schon gehabt.
- Keine Angst!
Was macht man mit seinen Gefühlen – und die bleiben ja auch bei Chefs nicht aus, wenn man zusammen das Jahr Revue passieren lässt? Wobei: Freude kann man einfach rauslassen. Dankbarkeit: da macht man nichts falsch. Stolz? So lange es keine selbstgefällige Ego-Nummer wird, sondern das Team feiert, klar. Aber was ist mit den unliebsamen Empfindungen? Missmut, Sorgen, Ängste, Bedenken hören ja am ersten Advent nicht einfach auf. Hier macht der Rückgriff auf die Tradition doch noch Sinn. Weihnachten findet in der dunkelsten Zeit des Jahres statt. Und es war immer Aufgabe dieser Tradition, in irgendeiner Form das Licht am Ende des Tunnels, den nächsten Frühling oder – in welcher Metapher auch immer – die Hoffnung auf Änderung, Besserung, Konfliktbereinigung in den Blick zu nehmen. Diese Perspektive im gemeinsamen Weihnachtsgespräch stark zu machen, bleibt Führungsaufgabe – auch im rhetorischen Sinn!
- Keine 90 Minuten (nicht mal 45)!
Unser Format hat viele Merkmale der klassischen Weihnachtsansprache und ihrer Rhetorik hinter sich gelassen. Gespräch und Dialog sind weniger durch Langatmigkeit bedroht als Monologe. Aber Martin Luthers „Tritt fest auf, mach’s Maul auf, hör bald auf!“ gilt trotzdem. Ich erlebe auch nie, dass Beiträge ausufern. Alle wollen hören, was die anderen beizutragen haben. Schon eine einfache Gliederung der Weihnachtsansprache nach Höhepunkten, wichtigen Meilensteinen, Rück- und Ausblick sichern ein zügiges Durchmessen der Themen. Verleih deinen eigenen Anmerkungen markante Kürze, die anderen steigen sicher auf den Rhythmus ein. Und dann wird gefeiert – ohne Zeitlimit.
Keine Zeit deine Weihnachtsansprache selbst zu schreiben? Unsere Kommunikationsberater kennen sich mit Öffentlichkeitsarbeit genauso gut aus wie mit interner Kommunikation und verfassen gerne auch deine Weihnachtsansprache.