Montagmorgen, 9:35 Uhr. Der Kaffee dampft, draußen prasselt der deutsche Sommer gegen die Fensterscheiben. Die Mails vom Wochenende sind gelesen und beantwortet. Und nun steht er vor mir, der größte Feind einer jeden Texter*in: das weiße Blatt. Beziehungsweise das weiße Word-Dokument, inklusive einem kleinen schwarzen Strich links oben in der Ecke, der mich herausfordernd anblinkt. Fast so, als würde er nervös mit den Fingern trommeln. Das macht es nicht gerade besser. Auch wenn ich mein Thema gut kenne, ist mein Kopf gerade so leer wie das Dokument, das ich nun mit einem spritzigen, ausgefeilten Text befüllen soll – und zwar möglichst bis heute Mittag, die Deadline ist nah!

Der größte Feind aller Texter*innen: Das weiße Blatt.
Storytelling mit Struktur nimmt die Angst vorm weißen Blatt. Bild: toodlingstudio

Abhilfe, um das weiße Blatt gut zu füllen

Doch es gibt Abhilfe für diese Angst vor dem weißen Blatt– schließlich gibt es ein paar einfache Regeln, die nicht nur den Einstieg ins Schreiben erleichtern, sondern auch ein Gerüst bieten, auf dem jeder Text logisch und unterhaltsam aufgebaut werden kann. Meine fünf goldenen Regeln, die ich nicht zuletzt meinem Journalismus-Professor an der Uni Mainz, Volker Wolff, zu verdanken haben, habe ich hier einmal zusammengefasst.

Mit fünf Regeln zu einem runden Text

Werden die folgenden Regeln beachtet, steht einem schönen, runden Text nicht mehr viel im Wege. Auch ich habe es erst mal geschafft, mein weißes Blatt ist gefüllt. Viel Spaß beim Schreiben!

Das weiße Blatt zerstören

Das weiße Blatt ist nur noch halb so furchteinflößend, wenn es nicht mehr weiß ist. Also: einfach mal drauflosschreiben und als erstes den Seitenkopf verfassen (Datum, Titel, Abgabetermin etc.). Dann folgt eine (vorläufige) Überschrift, die am Ende natürlich noch geändert werden kann. Wenn nun die Finger bereits im Schreibfluss sind, einfach den Gedanken freien Lauf lassen und stichpunktartig alles aufschreiben, was zum Thema einfällt. Anschließend werden diese Gedanken sortiert und ergeben so die grobe Storyline. Und schon ist das Blatt nicht mehr weiß, sondern sieht bereits nach fleißiger Arbeit aus.

Sie sieben „W“-Regel

Sind alle Punkte notiert, die im Text vorkommen sollen, gilt es, daraus die wichtigsten Fakten zu definieren. Diese lassen sich mit den sieben „W“-Fragen beantworten: Wer? Was? Wann? Wo? Wie? Warum? Woher (habe ich die Information)? All diese Fragen müssen in jedem Fall zu Beginn des Textes beantwortet werden. Ein weiterer Trick, um das Kernthema auf den Punkt zu bringen, ist der „Küchenzuruf“. Dabei stellt man sich vor, man würde die These des Artikels spontan einem Familienmitglied in der Küche zurufen.

Der Einstieg ist die halbe Miete

Sofern es sich nicht um eine kurze Nachrichtenmeldung handelt, muss vor der Beantwortung der sieben „W“s aber noch ein schöner Einstieg kommen. Schließlich wird hier der Ton des Artikels gesetzt, die Leser*in soll Interesse an der Geschichte bekommen und sich darauf freuen, den Text zu lesen. Der Einstieg sollte also lebendig, unterhaltsam, überraschend oder vielleicht ein wenig kurios sein. Auch Alltags-Szenen, in denen sich die Leser*in selbst wiedererkennt, funktionieren oft gut. Will man seine Leser*innen hingegen bereits im ersten Absatz verlieren, sind uninspirierte Verallgemeinerungen à la „Immer mehr Deutsche interessieren sich für…“, „Xy ist in aller Munde“ oder ausgelutschte Zitate und Weisheiten wie „Wer eine Reise macht, hat viel zu erzählen“ sehr hilfreich.

Die Geschichte mit der Nussschale

Ist der Einstieg geschafft und damit das Interesse geweckt, muss nun der sogenannte Volkshochschul-Teil folgen, also Daten, Fakten und Sachinformationen, die einen Überblick über das Thema geben und die Hauptthese des Artikels nennen. Bei kurzen Texten reichen hierfür zwei oder drei kurze Sätze, die alle W-Fragen (s. Punkt 2) abhandeln. Bei längeren Artikeln wird die „Geschichte in der Nussschale“ erzählt, also die Essenz des gesamten Artikels auf einen einzigen Absatz eingedampft. Im Hauptteil werden die hier angerissenen Themen dann genauer ausgeführt.

Der Mann mit der roten Mütze

Gerade im B2B-Bereich sind die Themen von Artikeln nicht immer atemberaubend spannend. Um einen Text, beispielsweise zu einer neuen Sicherheitsbeschichtung einer Pralinenschachtel dennoch gut lesbar zu machen, hilft der Mann mit der roten Mütze. Alternativ kann dieser auch der Chemiker mit dem weißen Schnurrbart sein, der die Beschichtung entwickelt hat und erzählt, wie er auf die Idee gekommen ist. Oder Tante Erna mit den großen Perlenohrringen, die sich freut, dass ihre Lieblingspralinen nun länger haltbar sind. In jedem Fall sollte die Person bereits möglichst in der Einleitungsszene und dann immer wieder im Lauf des Artikels auftauchen – im Idealfall wechselt sich dieser Erzählteil in jedem zweiten Absatz mit dem Theorieteil ab. Auf diese Weise schafft der Mann mit der roten Mütze nicht nur eine Orientierungshilfe für die Leser*innen, sondern lockert auch dröge Textpartien mit unterhaltsamen Szenen auf.