E-Autos gehört die Zukunft! Roboter vernichten Jobs! Solche Narrative prägen unser Denken und Handeln – und sie werden in der Unternehmenskommunikation häufig mit bestimmten Botschaften befeuert. Narrative stecken an, wie der amerikanische Ökonom Robert. J. Shiller sagt.
Shiller hat einen Rat an seine Zunft, die seit der Finanzkrise 2008/2009 noch ein wenig mehr in Verruf geriet. Häufigster Vorwurf an sie: Ökonomen hatten die Rezession nicht auf dem Radar. Daher sehen sie die nächste Krise auch nicht voraus. Shiller sagt nun, man solle weniger die Zahlen, sondern mehr die Narrative studieren, die die Menschen derzeit bewegen.
Geschichten schaffen Fakten
Stieg man im Vorfeld der ersten großen Krise des neuen Jahrtausends ins Taxi, dauerte es meist nicht lange, bis die Fahrer auf ein immergleiches Thema zu sprechen kamen: den Immobilienboom. Und auch in Bars, Restaurants, Einkaufszentren – überall dieselbe Story: „Immobilienpreise fallen nie“. Shiller bekam dabei ein ungutes Gefühl. Ein außergewöhnliches Ereignis bahne sich an, schrieb er. Als die Blase 2007 platzte, sah er seine Vorahnung krachend bestätigt. In seinem Buch Narrative Wirtschaft widmet sich der Yale-Professor der Frage, wie solche Narrative entstehen und wie sie die Wirtschaft beeinflussen.
Als Belege für seine Überlegungen nennt er unter anderem die Erfolgsgeschichte von Bitcoin und den Glauben an die Künstliche Intelligenz. Eine der Kernthesen des Buches lautet, dass es im Wesentlichen stark vereinfachte und leicht übertragbare Erzählungen sind, die wirtschaftliche Ereignisse auslösen. In der akademischen Betrachtung von Ökonomie müssen solche Narrative berücksichtigt werden – sonst sind selbst Experten immer wieder überrascht von wirtschaftlichen Veränderungen.
Die Rolle von Public Relations
Auch für Experten in der PR vielleicht ein Moment zum Innehalten! Vor mehr als fünf Jahren hatte ich in einem Beitrag herausgestellt, dass wir durch Geschichten die Welt erfassen und dabei oft in die Irre gelangen. Dass wir häufiger fragen sollten, welche Geschichten kaum jemand hören will und vor allem, welche niemand erzählen möchte. Shiller macht genau das noch einmal deutlich: Wie ein Ohrwurm, den wir nicht aus dem Kopf bekommen, treiben Geschichten unsere Gedanken und Gefühle. Und führen somit zu individuellen Entscheidungen, die in ihrer Summe ganze Volkwirtschaften aufleben oder abrauschen lassen.
Erstmal gute Nachrichten für uns. Denn das bestätigt, wie wirkmächtig Geschichten sind. Für die Ökonomik ist Shiller optimistisch, dass die Forschung die steigende Menge an Daten in Zukunft beispielsweise mit semantischen Analysen kombiniert, um zu unterscheiden, was einerseits zu bestimmten Narrativen führt und was andererseits diese Narrative auslöst.
Für uns in der Unternehmenskommunikation heißt es: noch mehr als bisher darüber nachdenken, was hinter unseren Stories eigentlich steht und wie sich unsere Geschichten auswirken (können) – und nie vorschnell an populäre Narrative anknüpfen.