Phillip steht an der Kaffeemaschine, da kommt seine Chefin Natascha dazu. Die Ungeduld steht ihr ins Gesicht geschrieben, sie greift hektisch nach einer Kaffeetasse und spricht Phillip auf die leidigen Reports an. Das Letzte, was er gerade hören möchte.

Jeder von uns kennt Szenen wie diese aus dem Büroalltag. Und mal ehrlich: wie viel Energie geht in Eurer Organisation wegen interner Rangeleien und Befindlichkeiten flöten? Was wäre nun, wenn ihr genau diese für Euch „typischen“ Konfliktsituationen nutzen könntet, um Eure Zusammenarbeit effektiv zu verbessern?

Hier kommt Improtheater ins Spiel: Beim gemeinsamen Improvisieren hinterfragen wir, was hinter alltäglichen Szenen steckt, welche Gefühle, welches Rollenverständnis, welche Perspektiven. Wir spielen verschiedene Settings durch, experimentieren mit Rollen und Haltungen und „proben“ den Ernstfall.

So trainieren wir agile Teamzusammenarbeit und Leadership

Gemeinsames Improvisieren schärft Zukunftskompetenzen, die wir in unserer modernen Arbeitswelt dringend brauchen. Denn um in Zeiten tiefgreifender Transformation handlungsfähig zu sein, müssen wir den Status Quo hinterfragen – manchmal auch uns selbst. Nur so setzen wir unser kreatives Potential frei und entwickeln uns als Organisation weiter.

Nehmen wir „New Work“ ernst und kippen starre Hierarchien und Prozesse, wird die Gestaltung unserer Zusammenarbeit und unserer Beziehungen immer wichtiger – nicht nur für Führungskräfte. Wir müssen also den Menschen mit seinen Beziehungen und Emotionen in den Blick nehmen.

Als Reflexionsmethode hilft Improtheater, Beziehungen und Emotionen erfahrbar zu machen

Methoden aus dem Improvisationstheater ermöglichen es, sich in konkrete Situationen hineinzuversetzen und verschiedene Perspektiven und Rollen einzunehmen. So können wir zum Beispiel in die Rolle der „Neuerin“ schlüpfen – einer hochmotivierten, aber überfordernden Chefin. Auf der anderen Seite erleben wir das Los des Herrn „Das-haben-wir-schon-immer-so-gemacht“, eines engagierten, aber veränderungsunwilligen Mitarbeiters. Plötzlich steht der Mensch mit seinen Interaktionen und Gefühlen im Mittelpunkt und wir verstehen besser, woran es hakt – und wo Energien gebunden sind.

Mit Improtheater Team- und Führungsrollen reflektieren Methoden aus dem Improtheater helfen spielerisch Team- und Führungsrollen reflektieren zu können und Zusammenarbeit neu zu gestalten.
Improtheater, The New Where, Design Offices, Frankfurt 2022

Jetzt muss es konkret werden!

„Bodo fühlt sich von Michaela nicht ernst genommen. Erkennt sie nicht an, was er in den letzten zwanzig Jahren für die Firma geleistet hat? Michaela wiederum ist entnervt. Wieso versteht Bodo nicht, dass sich die Organisation weiterentwickeln muss. Oder zweifelt er etwa an ihrer Kompetenz?“

Mit einer Portion Humor und ein wenig Distanz auf die „Bühne“ gebracht, fördern Szenen wie diese gegenseitiges Verständnis und Empathie und eröffnen den Raum, um unangenehme Themen anzusprechen. Denn oft bleiben Konflikte unausgesprochen und verhärten sich mit der Zeit. Das nimmt den Schwung aus Veränderungsprozessen und kann sie sogar komplett blockieren.

„Ein Problem ist halb gelöst, wenn es klar formuliert ist.“ (John Dewey)

Die improvisierten Szenen dienen als Beispiele und Anlass für eine tiefergehende Reflexion: Wie kommunizieren wir? Wie sieht unsere Teamkultur aus? Welche Bedürfnisse haben meine Kolleginnen? Wie gehe ich mit emotionalen Konflikten um? Diese Fragen lassen sich anhand konkreter, erfahrbarer Beispiele leichter thematisieren.

Improtheater lädt dazu ein, in die Themen einzutauchen, bei denen es die größten Spannungen gibt. Haben wir diese erst identifiziert, können wir gemeinsam konstruktive Lösungen suchen. Und das Problem ist halb gelöst, um es nach dem Philosophen und Pädagogen John Dewey zu sagen.

Mit Improtheater Team- und Führungsrollen reflektieren Methoden aus dem Improtheater helfen spielerisch Team- und Führungsrollen reflektieren zu können und Zusammenarbeit neu zu gestalten.
Mit Improtheater Team- und Führungsrollen reflektieren, Commha Consulting, 2020

Ein sicheres Lernfeld

Das Schöne ist: Mit den gleichen Methoden lassen sich auch alternative Szenarien durchspielen. Wir können auf sicherem Terrain ausprobieren, wie sich unser Verhalten auf andere auswirkt. Gleichzeitig können wir mit Rollen und Haltungen experimentieren und als Team daran wachsen.

Denn schon das gemeinsame Improvisieren selbst erzeugt Nähe und Vertrauen unter den Mitspielenden. Bei den spontanen Szenen geben wir etwas von uns preis und lassen uns aufeinander ein. Wir verlieren die Scheu uns zu blamieren, haben gemeinsam Spaß und können immer offener über unsere Beziehungen und Emotionen sprechen (Stichwort: psychologische Sicherheit). Das setzt ungeahnte Energien in der Zusammenarbeit frei.

Hier ein paar Anwendungsbeispiele für Improtheater:

  1. Führungskräfteentwicklung: Experimente mit der inneren Haltung:
    In einer improvisierten Szene an der Kaffeemaschine nimmt eine Führungskraft verschiedene innere Haltungen gegenüber ihrer Mitarbeiterin ein und erfährt, wie sich dies auf die Interaktion auswirkt. Typische Konfliktsituationen werden von den Spielenden zur Eskalation gebracht und anschließend geprobt, welche innere Haltung zur Lösung des Konflikts beitragen kann.
    Vorteil der Methode: Konflikte, Emotionen und Beziehungen kommen auf den Tisch, werden ernsthaft reflektiert, ohne den Spaß aus den Augen zu verlieren. Erkenntnisse prägen sich durch die „Erfahrung am eigenen Leib“ und den konkreten Situationsbezug besonders gut ein und können effektiv in den Alltag übertragen werden.
  2. Teamentwicklung: Rollenwechsel
    Die Teammitglieder identifizieren bestehende implizite und explizite Rollen in ihrem Team (wie Expertin, Prozessverantwortliche, Product Owner, Entwicklerin, Kollege oder sogar Freundin). In kurzen improvisierten Szenen nehmen sie eine dieser Rollen ein und handeln entsprechend. Zugespitzt wird die Erfahrung, wenn die Rollen auf Zuruf innerhalb einer Szene wechseln müssen.
    Vorteil der Methode: Die Teammitglieder lernen, dass sie unterschiedliche Rollen einnehmen können und wie sich das auf ihre Zusammenarbeit auswirkt. Der Rollentausch fördert Perspektivwechsel und damit Verständnis füreinander innerhalb des Teams. Gleichzeitig bietet er Anlass zur Reflexion, wie selbstorganisierte Teamzusammenarbeit erfolgreich sein kann. Fast nebenbei stärkt das Improvisieren die psychologische Sicherheit und das Reaktionsvermögen – alles Aspekte erfolgreicher Zusammenarbeit, nicht nur in agilen Kontexten.
  3. Team-Retrospektiven: Aus Erfahrung lernen
    Die Teammitglieder spielen typische Situationen aus ihrem Arbeitsalltag nach, beispielsweise ein Teammeeting, das Treffen an der Kaffeemaschine oder einen Kundentermin, und leiten wichtige Erkenntnisse ab: Hier kann es um Rollen und Zuständigkeiten gehen, um Haltungen und Befindlichkeiten oder um die beste Customer Journey.
    Vorteil der Methode: Die Teammitglieder tauchen in konkrete Problem- und Konfliktsituationen oder Erfolge ein und können daran sehr spezifisch lernen: Sie erkennen, an welchen Faktoren der Erfolg beziehungsweise Misserfolg festgemacht werden kann, und beziehen auch die Gefühls- und Beziehungsebene mit ein. Das fördert noch dazu eine positive Fehlerkultur.
  4. Innovations- und Transformationsprozesse: in Nutzer*innen hineinversetzen
    Die Teammitglieder versetzen sich in Anwenderinnen hinein, definieren durch Impro-Spiele Personas in all ihren Facetten und untersuchen Anwendungssituationen. Auch das Unmögliche wird möglich: „Nutzerinnen“ können in den direkten Dialog mit einem neuen Produkt treten und Feedback geben.
    Vorteil der Methode: Steht ein Nutzer im Zentrum eines Change-Projekts oder einer Methode, wie z.B. bei Design Thinking, sind entsprechende Erhebungen über Bedarfe und Bedürfnisse dieser Nutzer*innen oft zeit- und kostenintensiv. Improtheater bietet eine einfache Alternative zu solchen Erhebungen, die nichtsdestotrotz wertvolle Erkenntnisse liefern kann.

Tipps für erfolgreiches Improvisieren

  • Eine vertrauensvolle Atmosphäre schaffen
  • Aufwärmen und „Heiter scheitern“ üben
  • Hilfestellungen geben und Szenen klar strukturieren
  • Zunächst mit kleinen Gruppen improvisieren (max. 15 Personen)
  • Für Online-Veranstaltungen gilt: Weniger ist mehr! (kurze Sessions, 4-8 Teilnehmende)
  • Ausprobieren und Spaß haben!

Mit Improtheater Team- und Führungsrollen reflektieren Methoden aus dem Improtheater helfen spielerisch Team- und Führungsrollen reflektieren zu können und Zusammenarbeit neu zu gestalten.
Improtheater, The New Where, Design Offices, Berlin 2022.

Du hast noch nicht genug? 😊 Wir haben da noch einen Podcast zum Thema Improtheater mit Marlene für Dich. ❤️ Oder schreib Marlene einfach direkt an.

Ansprechpartner

Avatar-Foto

Marlene Konrad

Beraterin für Kommunikation und Innovationstrainerin